Designtheorie | Globale Design Aktivitäten
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16 Jan Globale Design Aktivitäten

Design Aktivitäten in globalen Unternehmen: Global Design

Viele Unternehmen haben es geschafft sich erfolgreich außerhalb ihres Heimatmarktes zu positionieren. Wir kaufen in Deutschland französische Kräuter bei L’Occitane. In China »Das Auto« und in den USA japanisches Papier bei Muji. Mit der Liberalisierung der Märkte, gemeinsamen Wirtschaftsräumen und digitaler Technologie wird dies immer einfacher. Die Herausforderungen sind nicht mehr die Landesgrenzen, Währungen oder unterschiedliche Stromspannungen. Es sind die kulturellen Unterschiede und erfolgreiche Mitbewerber aus der ganzen Welt.

Kulturelle Unterschiede spielen eine wichtige Rolle in einem komplexen System aus technischen, wirtschaftlichen, nutzerbezogenen und ästhetischen Komponenten, die sich kontinuierlich verändern. Darüber hinaus existiert ein komplexes System an gelernten Symbolen, die in unterschiedlichen Kulturkreisen unterschiedliche Bedeutung und Beachtung finden. Augenscheinlich stellen sich hier einige Fragen: Wie komme ich als Unternehmen an Informationen über diese unbekannten Märkte, und wie passe ich mein Produkt-Portfolio, meine Dienstleistungen, meine Kommunikation und meine »Touchpoints« an?

Eins scheint relativ klar zu sein: Große Unternehmen investieren massiv in Gestaltung und Designkompetenz: Sie kaufen sich global in Designbüros ein, investieren in die Design Management Ausbildung ihrer Mitarbeiter und nehmen immer häufiger an Designawardsteil. Wir richten in dieser Studie den Blick auf kleine, mittlere, große und sehr große Unternehmen um ihre Erfolgsmuster im »GlobalDesign« herauszuarbeiten. Deutschland ist im Jahr 2011 nach einer Statistik der WTO weltweit der drittgrößte Exporteur von Produkten und Dienstleistungen. In den Jahren 2003 bis 2008 sogar der weltgrößte vor den USA und China. Viele deutsche Unternehmen erwirtschaften seit Jahren einen Großteil ihres Umsatzes außerhalb der Landesgrenze. Dies spricht für Europa, den Standort Deutschland und ist ein Zeichen dafür, dass die Exportaktivitäten bereits seit Jahren erfolgreich betrieben werden.

Die Entwicklung der Gestaltung in Deutschland ist eng mit der positiven Export-Entwicklung nach 1945 verbunden. Die Ideen der Normierung, einer seriellen Herstellung und der Massenproduktion, die bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden sind, wurden aufgegriffen und viele Gestalter übernahmen die Aufgabe funktionale und hochwertige Produkte zu entwickeln. Diese ließen sich erfolgreich exportieren und aus kleinen Unternehmen wurden schnell große Konzerne wie beispielsweise BRAUN oder BSH Bosch und Siemens Hausgeräte. Die Gestaltung von Produkten, Dienstleistungen und Kommunikationsmedien hilft seither den Unternehmen ihre Produkte so zu gestalten, dass sie auch in fremden Kulturen, in speziellen Kontexten und unter besonderen Umweltbedingungen genutzt werden können. »Da global ein Preiskampf nur schwer zu gewinnen ist, müssen deutsche Unternehmen sich durch Qualität und Innovationen international positionieren«, so schreibt es der Geschäftsführer des Rat für Formgebung, Andrej Kupetz, in der Studie »Die Schönheit des Mehrwerts«.

Die kleineren Unternehmen in Europa nutzen Design immer noch sehr zurückhaltend. Die letzte »Design Management Europe« Studie der Europäischen Union aus dem Jahr 2009 kommt zu dem Ergebnis, dass 36% der befragten Mittelständischen Europäischen Unternehmen wissentlich kein Design Management einsetzen (Level 1). Lediglich 6% der Unternehmen setzen Design strategisch ein (Level 4). Die vier Designstufen (Level) beschreiben hier den Grad der professionellen Nutzung von Design Management. Diese geringe Beachtung des Design in den kleineren Unternehmen führt zu der Vermutung, dass Produkt- und Servicedesigner nur unzureichend und erst spät mit wichtigen Informationen versorgt werden. Dies bedeutet sehr wahrscheinlich auch, dass die Designabteilung bei globalen Entscheidungen nicht oder nur unzureichend involviert ist.

In der Studie »Global Design« konnten wir 20 Unternehmen, unabhängig von ihrer Größe, befragen die nachweislich Design nutzen. Entweder durch eine eigene Designabteilung oder durch die Zusammenarbeit mit Agenturen für Design (hier wurden ebenfalls fünf Interviews geführt). Alle Unternehmen exportieren in mehrere Länder und die Unternehmen beschäftigen jeweils mehr als 50 Personen. Die Größe der Unternehmen wurde bewusst nach oben nicht begrenzt, um mögliche Unterschiede in der Arbeitsweise unterschiedlich großer Unternehmen feststellen zu können.

Die Hypothese, dass die Produkt- und Servicedesigner unzureichend und zu spät mit wichtigen Informationen über die Märkte und Kulturen beliefert werden, sehen wir in vielen Fällen bestätigt. Verstärkt betrifft dies die kleineren Unternehmen, da die Informationen, wenn sie vorhanden sind, oft nicht systematisch erhoben und dokumentiert werden (»Bauchgefühl«). Bei den kleineren Unternehmen ist auch eine erkennbare Zurückhaltung gegenüber neuen Märkten und den damit verbundenen Risiken zu erkennen. Sie nutzen sich bietende Chancen und übertragen häufig das Risiko auf die Partner. Zusätzlich erwarten sie von dem Partner Informationen über kulturelle Eigenschaften und die Struktur des Marktes. Generell sind Themen wie ästhetische Präferenzen und Nutzungsunterschiede in verschiedenen Kulturkreisen in den Unternehmen nicht sehr ausgeprägt. Einige der kleineren Unternehmen haben hier einen Weg gefunden, wie sie mit der Vielfalt, den verschiedenen Kulturen und dem Informationsdefizit umgehen. Details dazu finden sich in der Studie. Bei den großen Unternehmen werden Informationen durch umfangreiche Tests und Recherchen erhoben. Allerdings erreichen sie auch hier oftmals nicht die Gestalter der Produkte.

Generell erkennt man in den vorliegenden Interviews eine deutlich höhere Offenheit bei größeren Unternehmen gegenüber neuen Märkten und fremden Kulturen als bei den kleineren Unternehmen. Die großen Unternehmen managen ihr Design zudem professioneller. Einige nutzen bewusst kulturelle und marktspezifische Unterschiede im Schulterschluss mit den Designern, um Produkte zielmarktadäquat zu gestalten bzw. zu adaptieren. Die großen Unternehmen profitieren insgesamt von ihrer Größe, da sie ihre Skalierungseffekte durch die großen Stückzahlen nutzen. Diese Effekte ermöglichen es den großen Unternehmen, die Kosten für Marktforschung, Recherchen, aber auch in Designleistungen zu investieren und so das Potential der Märkte auszuschöpfen.

Die kleineren Unternehmen profitieren, zumindest in ihrem Heimatmarkt, von dem engen Kontakt zu den Endkunden. Ein sicherlich nicht unwichtiger Aspekt bezogen auf die Produktentwicklung, Optimierung oder sogar für Innovationen. Dieser Kontakt wird mit zunehmenden Exportaktivitäten über die Partner immer schwieriger und wurde bei nahezu allen Unternehmen der kleineren Gruppe als Herausforderung angesprochen. Die kleinen Unternehmen mit hoher Design Kompetenz schaffen es auch global ein konsistentes Bild der Marke und eine einheitliche Produktsprache zu etablieren. Hier tun sich die großen Unternehmen schwerer, da die Komplexität und Vielfalt der Produkte, Marken und der belieferten Märkte nicht unerheblich ist.

In beiden Unternehmensgrößen lässt sich erkennen, dass die Unternehmen mit einer klaren Designstrategie auch eine aufgeklärte und realistische Exportstrategie verfolgen. Und auch die kleineren Unternehmen, die Design strategisch einsetzen, schaffen es trotz ihrer geringeren Größe ihre Produkte global in immer mehr Märkten erfolgreich zu positionieren. Wir arbeiten weiter an der Identifizierung von Erfolgsmustern und sind auch auf der Suche nach Unwägbarkeiten die sich durch ein bewusstes »Global Design« ergeben. Eine zentrale Erkenntnis wird jedenfalls durch die Studie deutlich und kann hier abschließend formuliert werden: das Design im globalen Kontext ist eine Herausforderung und Chance zugleich und die Frage ist weniger »ob« sonder »wie« man das Projekt »Global Design« angeht.

Autor: Marcel Befort, Januar 2013